Interview mit Luise bei mitmischen.de

Luise hat dem Jugendportal mitmischen.de ein Interview zum Thema Einwanderung gegeben.

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Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grüne), Mitglied im Innenausschuss:

Braucht Deutschland Einwanderung?

Ja, Deutschland braucht Einwanderer. Zuwanderung stellt nicht nur eine kulturelle Bereicherung für Deutschland dar, sie wird auch aufgrund unserer alternden Gesellschaft dringend gebraucht, um unser Rentensystem zu entlasten. ExpertInnen erwarten, dass die deutsche Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 75 Millionen Menschen schrumpft und sich das Durchschnittsalter weiter nach oben verschiebt. Um zu verhindern, dass die jungen Menschen von heute später keine verlässliche Rente erhalten, braucht es Maßnahmen, wie die Erleichterung von Einwanderung. Zudem fehlen Deutschen Unternehmen pro Jahr geschätzte 300.000 Fachkräfte.

Das Zuwanderungsrecht regelt schon heute, wer sich in Deutschland niederlassen darf. Die einen sprechen vom liberalsten Zuwanderungssystem der Welt, Kritiker monieren jedoch, dass unübersichtliche Einzelregelungen abschreckend wirkten. Muss sich etwas ändern?

Das derzeitige Einwanderungsgesetz ist unnötig kompliziert. Gerade die Anwerbung von ausländischen Fachkräften gelingt deshalb nicht. Die meisten Aufenthaltserlaubnisse gehen an Menschen, die sich bereits in Deutschland befinden und nicht, so wie es eigentlich beabsichtigt war, an Menschen im Ausland, die gerne nach Deutschland kommen wollen. Wir schlagen die Einführung eines sogenannten „kriteriengesteuerten Einwanderungssystems“ vor. In dem neuen System soll das Visaverfahren deutlich einfacher und leichter verständlich werden.

Auch sollte ein reformiertes deutsches Einwanderungssystem es möglich machen, dass EinwanderInnen, die eine gewisse Zeit in Deutschland gelebt haben, auch nach längeren Auslandsaufenthalten wiederkehren können. Damit wird EinwanderInnen eine Entscheidung über eine mögliche Rückkehr in ihre Heimatländer erleichtert. Dies soll auch dazu führen, dass Deutschland nicht nur qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland abwirbt, sondern, dass ein System geschaffen wird, an dem auch die Heimatländer profitieren.

Oft werden die Punktesysteme von Ländern wie Kanada, Neuseeland oder Australien als Vorbilder genannt. Wie funktionieren diese und soll es auch hierzulande feste Quoten für Einwanderung geben und ein Bewertungssystem?

In Kanada werden jährlich Zielwerte für die wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Aufenthaltstitel von der Regierung neu festgelegt. Die Regierung versucht dann aktiv diesen Zielwert zu erreichen. Generell werden qualifizierte ArbeitnehmerInnen im kanadischen Punktesystem bevorzugt. Im neuseeländischen Punktsystem ist dies ähnlich. Die dortige Regierung versucht in erster Linie junge, gut-ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen.

Die Quoten für ein deutsches Punktesystem sollten flexibel sein und jedes Jahr von Bundestag und Bundesrat neu festgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Quote sollte der Bedarf an Arbeitskräften ausschlaggebend sein. Wir schlagen die Schaffung einer Kommission vor, die sich genau dieser Frage widmen soll. Diese soll sich aus VertreterInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verwaltung und MigrantInnenorganisationen zusammensetzten. Fest steht, dass berufliche Qualifikationen nicht das alleinige Auswahlkriterium bei der Fachkräfte-Einwanderung sein kann. Andere Fähigkeiten und Kompetenzen müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Auch sollen die Potenziale von Menschen, die sich bereits im Inland befinden, genutzt werden können. Sofern sie die Einwanderungskriterien erfüllen, sollten Studierende, Auszubildende, Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Geduldete ihren aufenthaltsrechtlichen Status wechseln können. Für uns ist aber klar: Ein solches System darf nicht zu einer Beschränkung des Flüchtlingsschutzes führen.

Welche Maßnahmen halten Sie für wichtig, damit Zuwanderer sich wirklich in Deutschland integrieren?

Die Integration von Einwanderern ist ein Bereich, bei dem noch großer Nachholbedarf besteht. Gerade im Bildungsbereich müssen Angebote für Zuwanderer ausgeweitet werden. Der Besuch von Integrations- und Deutschkursen muss mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Auch ist es unsinnig, dass ausländische Berufs- und Bildungsabschlüsse oftmals gar nicht oder nur eingeschränkt anerkannt werden, obwohl diese äquivalent zu deutschen Abschlüssen sind. Wenn es tatsächlich Sinn macht, einen solchen Abschluss nur eingeschränkt anzuerkennen, dann sollten Menschen die Möglichkeit bekommen, eine Nachqualifizierung zu machen, damit sie in dem Bereich arbeiten können, in dem sie tatsächlich Kompetenzen besitzen.

Auch ist es notwendig die deutschen Gesetze zur Einbürgerung zu überarbeiten. Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, sollten immer automatisch das Recht auf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Auch sollten mehr Zuwanderer, die einige Jahre in Deutschland gelebt haben und integriert sind, die Möglichkeit besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen zu können. Einwanderer, die sich dazu entscheiden, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, sollten aber nicht gezwungen werden, ihre „alte“ Staatsangehörigkeit aufzugeben.

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