Tausende Afghan*innen hoffen auf Rettung vor den Taliban – Deutschland muss weiter aufnehmen

Zur Verschärfung der Aufnahmekriterien der Bundesregierung für hilfesuchende Afghaninnen und Afghanen erklären Omid Nouripour, Sprecher für Außenpolitik, und Luise:

Noch immer befinden sich Tausende von den Taliban besonders bedrohte und damit schutzbedürftige Menschen in Afghanistan. Nach dem jetzigen Regelwerk von Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium haben die allermeisten davon keinerlei Aussicht mehr auf Rettung und eine Aufnahmezusage in Deutschland. Das ist absolut unverständlich und unmenschlich. Damit setzt die Bundesregierung ihr katastrophales Versagen bei der Rettung bedrohter Afghaninnen und Afghanen auf ganzer Linie fort.

Allein bei der Grünen Bundestagsfraktion haben sich seit Ende August 4160 verzweifelte Hilfegesuche angesammelt, die nach den verschärften Regeln der Bundesregierung keine Aussicht mehr auf Aufnahme haben. Viele Dutzend weitere Gesuche liegen beim Auswärtigen Amt zur Prüfung. Nach dem Ende der Evakuierungsaktion über den Kabuler Flughafen am 26. August hatte das Auswärtige Amt völlig überraschend rückwirkend zu diesem Datum erklärt, dass Hilfegesuche von Menschenrechtler*innen, Medien- und Kulturschaffenden sowie anderen besonders bedrohten Personen ab diesem Zeitpunkt nur noch in Einzelverfahren geprüft werden – mit extrem hohen Hürden. Das bedeutet, dass Tausende bedrohte Afghaninnen und Afghanen, die sich in den letzten 20 Jahren in Afghanistan für Demokratie und eine offene Gesellschaft eingesetzt haben, in der jetzt geltenden Praxis keine Gefährdungsanzeige mehr stellen können.

Das Vorgehen der Bundesregierung und insbesondere des Auswärtigen Amtes, die Evakuierungslisten nach dem 26. August trotz der weiter bestehenden Notlage nicht weiter zu führen, ist inakzeptabel. Diese willkürlich gesetzte Frist für das vereinfachte Gruppenverfahren konnte bis heute weder von Außenminister Heiko Maas noch von Innenminister Horst Seehofer stichhaltig begründet werden. Tausende dieser Menschen befinden sich weiterhin in akuter Lebensgefahr. Täglich erreichen uns Nachrichten über Afghaninnen und Afghanen, die von den Taliban verhaftet, gefoltert oder getötet werden, weil sie sich für ein offenes Afghanistan und insbesondere für gleiche Rechte von Frauen und Männern engagiert haben. Die Bundesregierung vernachlässigt mit ihrem Vorgehen die Schutzverantwortung für diese Menschen und lässt Afghaninnen und Afghanen, die auf Deutschland gezählt haben, im Stich.