Interfraktionelles Statement zum Fall „El Hiblu 3“

Wir sind besorgt über die strafrechtliche Verfolgung der „El Hiblu 3“. Es ist nun zwei Jahre her, dass das Handelsschiff El Hiblu unter Koordinierung eines EUNAVFOR MED-Flugzeugs versuchte, mehr als 100 aus Seenot gerettete Menschen illegal nach Libyen zurückzubringen. Die rechtswidrige Rückführung wurde durch einen kollektiven Protest an Bord verhindert. Die Besatzung des Handelsschiffes brachte die Geretteten nach Malta. 

Im Zusammenhang mit dem Protest an Bord wird den „El Hiblu 3“, drei Jugendlichen, die damals 15, 16 und 19 Jahre alt waren, eine Vielzahl von Straftaten einschließlich terroristischer Akte vorgeworfen. Es droht ihnen lebenslange Haft. Wir schließen uns der Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Ravina Shamdasani an, die die Vorwürfe bereits im Mai 2019 als übertrieben einstufte. 

Nach von Amnesty International gesammelten Informationen haben die „El Hiblu 3“ keine Gewalt gegen die Crewmitglieder angewandt.


In dem Verfahren werden entlastende Beweise aber nur sehr zögerlich oder gar nicht berücksichtigt. Wir fordern die maltesischen Behörden auf, europäisches und internationales Recht bei der Strafverfolgung zu beachten und ein faires Verfahren durchzuführen, in dem insbesondere Rechtfertigungsgründe und die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention berücksichtigt werden.


Wir verurteilen es aufs Schärfste, dass europäische Akteur*innen das Handelsschiff anwiesen, die geretteten Menschen nach Libyen zurückzuführen. Dies stellt einen klaren Bruch des internationalen Seerechts und eine schwere Verletzung von Grundrechten dar. Libyen kann nicht als sicherer Hafen angesehen werden. Die Rückführung von mehr als 100 Menschen hätte gegen das Nichtzurückweisungsprinzip unter anderem der Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Wir fordern das Ende aller illegalen Rückführungen nach Libyen und der massiven Menschenrechtsverletzungen, die aus der Zusammenarbeit europäischer Akteur*innen mit der sogenannten libyschen Küstenwache resultieren.“

Luise Amtsberg (B90/ Grüne)
Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU)
Ulli Nissen (SPD)
Ulla Jelpke (Linke)


Margarete Bause (B90/ Grüne)
Michel Brandt (Die LINKE)
Lars Castellucci (SPD)
Sylvia Gabelmann (Die LINKE)
Kai Gehring (B90/ Grüne)
Frank Heinrich (CDU/CSU)
Anrej Hunko (Die LINKE)
Cansel Kiziltepe (SPD)
Caren Lay (Die LINKE)
Helge Lindh (SPD)
Hilde Mattheis (SPD)
Martin Patzelt (CDU/CSU)
Filiz Polat (B90/ Grüne)
Claudia Roth (B90/ Grüne)
Manuel Sarrazin (B90/ Grüne)
Stefan Schmidt (B90/ Grüne)
Johannes Schraps (SPD)
Frank Schwabe (SPD)
Wolfgang Strengmann-Kuhn (B90/ Grüne)
Kirsten Tackmann (Die LINKE)

Hier finden Sie das ganze Statement.

Hintergrund:

Am 27.03.21 jährte sich die vom Handelsschiff El Hiblu durchgeführte Seenotrettung von 108 Menschen zum zweiten Mal. Auf Befehl eines EUNAVOR MED Flugzeuges sollten die Geretteten damals zurück nach Libyen gebracht werden. Das wurde durch einen friedlichen Protest der Geretteten verhindert, sodass sie schließlich in Malta ausgeschifft wurden. Gegen drei der Geretteten (damals zwischen 15 und 19 Jahre alt – „El Hiblu 3“) ermittelt die maltesische Generalstaatsanwaltschaft. Sie hat u.a. wegen des Vorwurfs des Terrorismus Anklage erhoben. In dem Verfahren wurden andere Gerettete erst sehr spät und zögerlich als Zeug*innen hinzugezogen.