Rede zum Antrag: Eine solidarische & menschenrechtsbasierte Europäische Flüchtlingspolitik

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Luises Rede vom 22.04.20 im Bundestag zum Antrag unserer Fraktion „Für einen solidarischen und menschenrechtsbasierten Neuanfang in der Europäischen Flüchtlingspolitik“:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

In diesen Tagen wird vielfach der europäische Zusammenhalt beschworen. Der Ausbruch des Coronavirus verdeutlicht wieder einmal die vielen Hürden, die wir auf dem Weg zu einer wirklich solidarischen EU noch überwinden müssen. Wir dürfen aber trotz und gerade angesichts der Coronapandemie die Schwächsten nicht vergessen.

Weder die Menschen, die weiter vor dem Bürgerkrieg in Libyen über das Mittelmeer fliehen, noch die Menschen, die auf europäischem Boden unter katastrophalen Bedingungen leben müssen und diesem Virus nahezu schutzlos ausgeliefert sind. Es ist unsere Pflicht, dort zu helfen, wo wir es können, dort miteinander solidarisch zu sein, wo wir es können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Umgang mit Geflüchteten in Europa ist für die Frage der Solidarität exemplarisch. Es braucht eine Überwindung des Dublin-Systems, weil es unfair ist, weil es Staaten wie Griechenland und Italien alleinlässt, weil es andere Mitgliedstaaten aus ihrer Verantwortung entlässt und weil es die Aufnahme und faire Verteilung von Geflüchteten zu einem Akt der Großzügigkeit verkommen lässt.

Trotzdem und obwohl wir spätestens seit 2015 wissen, dass dieses System nicht funktioniert und schon gar nicht krisenfest ist, hat sich unsere Bundesregierung bis heute nicht durchringen können, es aufzugeben. Im Gegenteil: Sie hat Ihr Heil im EU-Türkei-Deal gesucht und darauf vertraut, dass er ewig hält. Das Ende vom Lied kennen wir.

Sie haben sich nicht darum bemüht, eine gemeinsame, dauerhafte europäische Lösung hinzubekommen. Das zeigen auch die neuesten Vorschläge der Bundesregierung, künftig Vorprüfungen an Außengrenzen durchzuführen. Das beseitigt nicht die Fehler des Systems, sondern das verstärkt sie, das manifestiert sie doch erst.

Genau deshalb haben wir einen Vorschlag vorgelegt, der eine echte Verantwortungsteilung vorsieht, und zwar nicht nur bei der Aufnahme und Erstversorgung, sondern auch bei der Verteilung, der Durchführung von Asylverfahren und bei der Integration.

Meine Damen und Herren,

wie wichtig eine Reform ist, kann man dieser Tage auf den griechischen Inseln und an den katastrophalen Zuständen in den dortigen Hotspots sehen. Die Gefahr der Ausbreitung des Virus verschärft die Situation dort zusätzlich. Menschen haben nicht die Möglichkeit, sich meterweit entfernt voneinander hinzusetzen, wenn sie etwas zu essen bekommen oder die sanitären Einrichtungen nutzen möchten. Sie haben nicht die Möglichkeit, sich nach jedem Kontakt die Hände zu waschen, wenn es in den Lagern die meiste Zeit kein fließendes Wasser gibt.

Dass die EU Mitgliedstaaten vor diesem Hintergrund um die Rettung von knapp 1 500 Kindern ein so langes Tauziehen veranstalten, ist beschämend. Man kann es nicht anders sagen. Dass Deutschland nach vier Monaten Diskussion knapp 50 Kinder aufnimmt, ist leider mindestens genauso beschämend.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden – das kommt ja auch ab und zu vor -: Jedes Kind, das dem Leben in den Lagern entkommen und in Deutschland Schutz finden kann, ist eine gute Nachricht und ein Grund zur Freude, aber leider ändert das an der Dramatik vor Ort überhaupt nichts. Das ist das Grundproblem.

Ich gehe davon aus, dass der Redner der CDU/CSU, Herr Frei, oder auch das Bundesinnenministerium gleich wieder aufzählen wird, wie viel Deutschland tut und dass eigentlich nicht wir schuld sind an der Situation, sondern irgendwer anders, nur nicht wir: Griechenland, das sich nicht helfen lassen möchte, oder der UNHCR, den Sie dafür verantwortlich machen, dass noch nicht mehr Menschen für eine Verteilung nach Deutschland ausgewählt wurden. Dabei sind es die Konditionen Ihres Programmes, die nicht zu den Bedarfen vor Ort passen.

Ich werde es mit Blick auf die letzten Monate noch einmal sehr deutlich formulieren: Hören Sie auf, sich hinter anderen zu verstecken oder es als Solidarität zu verkaufen, dass Sie nur gemeinsam mit anderen Staaten aktiv werden wollen! Denn momentan ist jeder Tag entscheidend, und danach sollten Sie handeln.
Wenn Sie dauerhaft wirklich solidarisch sein wollen, dann befassen Sie sich mit unserem Antrag. Dort steht, wie es gehen kann.


Herzlichen Dank.

Den ganzen Antrag können Sie unter folgendem Link einsehen: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/186/1918680.pdf