Grüner Bundestagsantrag: Abschaffung Widerrufsprüfung

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bisher ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gesetzlich dazu verpflichtet, seine Entscheidungen zur Anerkennung von Asyl und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft spätestens nach drei Jahren zu überprüfen. Hierbei wird im Rahmen von Widerrufsprüfverfahren festgestellt, ob weiterhin erhebliche Gefahren bei einer Rückkehr in das Herkunftsland drohen oder eben andere Ausschlussgründe vorliegen. Dieses Verfahren ist obligatorisch, also routinemäßig und sehr aufwendig.
In unserem Gesetzentwurf, der hier vorliegt, schlagen wir vor, diese obligatorische Prüfung zu streichen. Es sei gleich zu Anfang dazu gesagt: Die Durchführung von Widerrufsverfahren in Einzelfällen wäre auch bei einer Annahme unseres Gesetzentwurfs weiterhin möglich. Die Ausländerbehörde kann demnach jederzeit beim Bundesamt anfragen, ob nicht ein Widerrufsverfahren in Betracht kommt. In der Praxis kommt dies auch vor, wenn eine Ausländerbehörde ein Interesse an der Aufenthaltsbeendigung hat, zum Beispiel bei der Verübung von Straftaten. In unserem Gesetzentwurf geht es also lediglich darum, diese routinemäßige Prüfung abzuschaffen.
Der Hintergrund ist, so denke ich, eindeutig. Wir wollen zügige und faire Asylverfahren und eine zeitnahe Registrierung von Asylsuchenden und – das ist zentral – die Entlastung des Bundesamtes von unnötiger Arbeit, damit die Asylverfahren schnell abgearbeitet werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Um das zu erreichen, haben wir uns angesehen, welche Möglichkeiten es gibt, die Verfahren des Bundesamtes – das Bundesamt ist mit Arbeit überlastet – zu verschlanken. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sieht man, dass unser Vorschlag durchaus sinnvoll ist. Bis Ende November 2015 wurden laut der Geschäftsstatistik des Bundesamtes insgesamt 9 742 Entscheidungen über Widerrufsprüfverfahren getroffen. Die meisten Entscheidungen betrafen die Herkunftsländer Irak, Syrien, Iran und Afghanistan, alles Länder mit einer schlechten Menschenrechts- und Sicherheitsprognose, und das ist entscheidend bei der Frage, ob Widerrufsverfahren durchgeführt werden müssen.
Aber viel wichtiger ist: In nur 5 Prozent der Fälle erfolgte tatsächlich ein Widerruf der Asylberechtigung durch das BAMF. Die Zahl der tatsächlich erfolgten Widerrufe steht damit in überhaupt keinem angemessenen Verhältnis zu dem erheblichen Prüfungsaufwand, der mit der Einleitung der Widerrufsverfahren einhergeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die obligatorische Widerrufsprüfung sollte deshalb abgeschafft werden. Noch einmal der Hinweis: Damit ist unbenommen, dass auch weiterhin in Einzelfällen solche Verfahren durchgeführt werden können.
Sie wollen das Asylpaket II in der nächsten Woche auf den Weg bringen. Das wäre doch durchaus eine gute Gelegenheit, diesen Vorschlag mit aufzunehmen und im BAMF damit die Kapazitäten, die es dringend zur Bearbeitung und Entscheidung in Asylverfahren benötigt, freizusetzen. Ihre Bilanz, liebe Bundesregierung, ist, gerade was diese Frage angeht, wirklich ernüchternd bis erschreckend; denn keines der bislang verabschiedeten Asylpakete entlastet tatsächlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder reduziert die Bearbeitungszeit von Asylanträgen, und das ist doch jetzt unsere vornehmliche Aufgabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahl von 360 000 anhängigen Asylverfahren macht das deutlich. Hinzu kommen die circa 300 000 Asylsuchenden, die zwar registriert wurden, aber noch keinen Asylantrag stellen konnten. Wenn Sie sich im Detail mit dem Ablauf eines Widerrufsverfahrens und auch mit seinen Erfolgsaussichten beschäftigen, dann werden Sie mir zustimmen, dass sich die Bediensteten des Bundesamtes zurzeit sicherlich mit sinnvolleren Dingen beschäftigen könnten, zum Beispiel damit, die anhängigen Asylanträge zu entscheiden.
Dazu gehört auch der Blick auf das, was künftig kommen wird. Sie schlagen vor, die Asylverfahren von marokkanischen und algerischen Staatsangehörigen priorisiert zu behandeln, gar nicht zu sprechen von den über 14 weiteren Staaten, die der Freistaat Bayern als weitere sichere Herkunftsländer eingestuft haben will, darunter Staaten wie Mali und Nigeria. Wenn das auch noch alles beim Bundesamt im priorisierten Verfahren bearbeitet werden sollte, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, liebes Bundesamt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Insofern verstehen Sie unseren Vorschlag tatsächlich als einen Versuch, konstruktiv in die Debatte zu gehen, Vorschläge zu machen, wo wir Kapazitäten sparen können. Das ist nämlich unser Anliegen. Wenn Sie dem nicht zustimmen können, dann würde mich schon interessieren, mit welcher Rechtfertigung; denn die Zahlen sprechen für sich. Die meisten Widerrufsverfahren sind nicht erfolgreich. Sie binden wahnsinnig viele Kapazitäten, und die brauchen wir derzeit ganz woanders.
Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gunkel (SPD))

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