Bericht aus Berlin von Filiz und Luise (06/2020)

Liebe BAG,

dieser Bericht aus Berlin fällt in den zweiten Teillockdown, der auch unseren Arbeitsalltag im Bundestag sehr verändert. Wir erleben den politischen Diskurs aber auch in digitalen Formaten weiterhin als sehr lebhaft.

Letzte Woche hat uns die US-Wahl natürlich sehr beschäftigt und wir sind erleichtert, dass nach dem zähen Ringen nun Joe Biden der neue Präsident geworden ist. 

Was wir hier auf Bundesebene bewegt haben, könnt ihr in unserem Bericht aus Berlin lesen:

Appell Afghanistan
Anfang nächster  Woche findet wieder eine Sammelabschiebung nach Afghanistan statt. Seit März waren die Abschiebeflüge aufgrund der Coronapandemie ausgesetzt worden. Luise hat zusammen mit Katrin an die Länder appelliert, um darauf hinzuwirken, dass die Länder sich nicht an dieser Abschiebung beteiligen.

Wir lehnen Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete grundsätzlich ab.

Die zweite Welle der Corona-Pandemie, die anhaltenden Anschläge durch Taliban und den IS, die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Taliban, der bevorstehende Winter und die entsprechend noch schlechtere humanitäre Situation für Rückkehrer – all das sind Umstände, die Abschiebungen in dieses Land unvertretbar machen.

Verschärfungen bei der Abschiebungshaft

Letzte Woche hat die GroKo das Zensusgesetz verabschiedet und Filiz hat in ihrer Rede gegen die Ausweitung der Abschiebehaft argumentiert, welche die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf verstecken wollte und im Eilverfahren damit durch den Bundestag gepeitscht hat. Und das obwohl die Mehrheit der Sachverständigen die Regelung stark kritisiert hat, wie ihr hier nachschauen könnt.  

Vielfalt und Antirassismus

 Wie divers ist der Bundestag eigentlich aufgestellt und wie muss eine rassismuskritische Gesellschaft aussehen? Mit diesen Fragen wollen und müssen wir uns im Bundestag auseinandersetzen. Deshalb haben wir den Parlamentskreis Vielfalt und Antirassismus initiiert. Einen Beitrag des Tagesspiegels dazu lest ihr hier.

Am 27.10. fand unsere Abschlussveranstaltung zur Online-Reihe #EinWirFürAlle – Gemeinsam Rassismus überwindenstatt. Rassismus zu erkennen, zu benennen und zu überwinden ist kein Sprint – es ist ein Dauerlauf, den wir nur gemeinsam bewältigen können. Wir Grünen im Bundestag wollen Teil des Aufbruchs und verlässlicher Partner sein für die Gestaltung einer rassismuskritischen Gesellschaft der Vielen. Unser Ziel: Zusammenhalt durch Vielfalt. Die Abschlussveranstaltung könnt ihr hier noch mal sehen.

Darüber hinaus habe ich die Fragestunde genutzt, um die Bundesregierung nach der Notwendigkeit einer rassismuskritischen Aus- und Weiterbildung im öffentlichen Dienst zu fragen. Die Antwort des Staatssekretärs und meine Nachfragen könnt ihr hier noch mal sehen.

PG SAR
Die Parlamentsgruppe Seenotrettung hat auch in dieser Woche erneut getagt und dabei ganz unterschiedliche Themen diskutiert: Neben der Frage, um  mögliche Unterstützung der Iuventa Crew (https://iuventa10.org/), haben die Abgeordneten die aktuelle Situation auf dem Mittelmeer hinsichtlich aktueller Stand-Offs und Repressionen gegen die zivile Seenotrettung diskutiert, darunter auch und im Besonderen die geänderte Schiffssicherheitsverordnung des BMVI. Schließlich stand die Situation auf Lesbos um die Räumung des Flüchtlingslagers PIKPA auf der Tagesordnung sowie illegale Pushbacks auf dem Mittelmeer, zuletzt besonders in der Ägäis. Aufgrund der Vorwürfe gegen Frontex wegen der Beteiligung an Pushbacks hat Luise ihre Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung noch einmal bekräftigt.

Neue GEAS-Vorschläge der EU-Kommission
Der Europäischen Union ist es bislang nicht gelungen, einen humanitären und solidarischen Umgang mit Migration und Flucht zu finden und sich dabei krisenfest aufzustellen. Die jetzigen Reformvorschläge der Kommission zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) lösen keines dieser Probleme, sondern tragen nur zu deren Verschärfung bei:

  • Am Prinzip des Ersteinreisestaates wird festgehalten
  • Schnellverfahren an der Grenze mit möglicher Inhaftierung der Schutzsuchenden beraubt die Menschen weiter ihrer Rechte und führt nur zu neuen Lagern und einem zweiten Moria
  • Verschärfung der Kriterien zur Bestimmung eines sicheren Drittstaats: ein Transit reicht aus, dass Einreisende aus einem sicheren Drittstaat kommen und dadurch ins Schnellverfahren geraten
  • Fokus auf mehr Rückführungen durch sogenannte Rückführungspatenschaften; nichts deutet darauf hin, dass Rückführungen nun besser/schneller durchführbar wären

Luises Einordnung der neuen Vorschläge könnt ihr hier nachlesen. Bei einem ersten Treffen Anfang Oktober berieten auch die EU-Innenminister*innen das erste Mal darüber. Eine Stellungnahme von Luise dazu findet ihr hier.

Zu unserem GEAS-Antrag „Für einen solidarischen und menschenrechtsbasierten Neuanfang in der Europäischen Flüchtlingspolitik“ aus dem April diesen Jahres konnte nun endlich am 26. Oktober eine Sachverständigenanhörung durchgeführt werden, bei der unser Antrag im Lichte der neuen diskutiert werden konnte. Insgesamt wurden alle Vorschläge, wie erwartet, sehr kontrovers diskutiert. Während unser Sachverständiger Herr Dr. Constantin Hruschka Grenzverfahren stark kritisiert hat, sprach sich einer der Unions-Sachverständigen BAMF-Chef Sommer klar dafür und insbesondere für die Möglichkeit der Inhaftnahme von Schutzsuchenden aus. Alle Stellungnahmen sowie die Aufzeichnung der Anhörung könnt ihr hier nachschauen.


Unsägliche Grundsatzdebatten zur Migration

In der Sitzungswoche zuvor, ging es im Plenum auf Antrag der AfD noch mal um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Was hier vorgelegt wurde hatte allein zum Ziel, Menschen gegeneinander auszuspielen und die Stimmung neu zu vergiften – nachdem die AfD deutlich an Zuspruch verloren hat. Es bleibt dabei: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der GroKo hat seinen Namen nicht verdient. Es bleibt wirkungslos, weil es viel zu bürokratisch ist. Wir haben bessere Vorschläge gemacht, für die wir weiter werben werden. Filiz Rede könnt ihr hier noch mal sehen und nachlesen. Zusätzlich musste sich das Plenum mit einer Großen Anfrage der AfD zu „fiskalischen Lasten der Zuwanderung“ beschäftigen. Die AfD versuchte auch hier wieder zu stigmatisieren und zu spalten. Es ist ein unerträgliches Schauspiel. Sachlich kann man nur festhalten, dass es beim Schutz von Geflüchteten nicht um Geld geht, sondern um das Recht, Rechte zu haben. Und dies spricht die AfD Geflüchteten und migrierten Menschen schlicht ab. Filiz Rede findet ihr hier.

Fachgespräch Familiennachzug

In einem digitalen Fachgespräch hat Luise mit Vertreter*innen aus den Ländern, der Zivilgesellschaft und dem Auswärtigen Amt über die bestehenden Hürden beim Familiennachzug diskutiert. Insbesondere wurde dabei nach Lösungen für den Geschwisternachzug gesucht. Wir werden das Thema weiterhin – auch parlamentarisch – voranbringen. 

Arbeitsschutz für Alle?
Das Arbeitsschutzkontrollgesetz wurde kurzfristig on der aktuellen Tagesordnung des Deutschen Bundestages gestrichen, weil man sich immer noch nicht einig ist. Die Union arbeitet hinter den Kulissen daran, den Gesetzentwurf zu verwässern. Die Fleischlobby hat die Union weiter fest im Griff. Wie es dazu gekommen ist? Dazu erklärt die Lobby ganz stolz, dass ihr Druck auf Bundes- und Landtagsabgeordneten der Union „Wirkung gezeigt“ hat. Unglaublich! Eine PM von Filiz zu dem Thema findet ihr hier.


Deutsche Islam Konferenz priorisiert Imamausbildung

Die Ausbildung religiösen Personals für islamische Gemeinden ist ein Schwerpunktthema der Deutschen Islam Konferenz. In einer Rede hat Bundesinnenminister Seehofer die Relevanz der in Deutschland verorteten Ausbildung von Imamen betont. Fortan wird das Islamkolleg Deutschland e.V. mit Sitz in Osnabrück vom Bundesinnenministerium und vom Land Niedersachsen für die nächsten fünf Jahre finanziell unterstützt. Ein wichtiger, erster Schritt, um eine eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Musliminnen und Muslimen zu gewährleisten. Filiz Pressemitteilung dazu findet ihr hier.