Abstimmung zum Auslandseinsatz in Syrien

Der Bundestag hat heute über einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien debattiert und in einer namentlichen Abstimmung dem Einsatz mehrheitlich zugestimmt. Mit 445 Ja-Stimmen bei 146 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen wurde der Antrag der Bundesregierung (18/6866) angenommen, bewaffnete deutsche Streitkräfte einzusetzen. Deutschland stellt unter anderem Aufklärungsflugzeuge vom Typ Recce Tornado aus Schleswig-Holstein bereit sowie Tankflugzeuge, eine Fregatte sowie Personal in Stäben und Hauptquartieren. Hier findet Ihr eine Übersicht, welcheR Abgeordnete wie abgestimmt hat: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik?id=378&url=/apps/na/na/fraktion.form&controller=fraktion

Gerade die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr ist für uns eine Gewissensfrage, bei der viele Aspekte verantwortungsbewusst gegeneinander abgewogen werden müssen. Wir haben uns die Entscheidung über das Syrien-Mandat alles andere als leicht gemacht, es aber heute aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt. Diese wollen wir Euch kurz skizzieren.

Die Lage in Syrien ist extrem kompliziert und insgesamt derzeit sehr unübersichtlich. Während die Menschen seit Jahren unter der Gewalt, den Bombardements und der Schreckensherrschaft des Assad-Regimes und der Terroristen von IS leiden, tragen einige Regionalmächte und Akteure mit widerstreitenden und widersprüchlichen Interessen dort ihre Machtspiele aus. Sie verschlimmern die Situation und befeuern die Eskalation von Hass und Gewalt.

Auch wenn uns klar ist, dass der selbst ernannte „Islamische Staat“ auch militärisch bekämpft werden muss, sehen wir in dem vorgelegten Mandat der Bundesregierung keine Lösung. Die Bundesregierung hat kein klares Konzept und keine stimmige Strategie für diesen Militäreinsatz. Das Mandat bleibt an vielen Stellen gefährlich vage. Es fehlt eine eindeutige völkerrechtliche Legitimation und viele extrem wichtige Fragen bleiben einfach unbeantwortet. Es ist völlig unklar, ob eine Zusammenarbeit mit Assad und Putin erfolgen wird. Es ist außerdem nicht ersichtlich, wie ein Missbrauch von Aufklärungsdaten durch Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei verhindert werden soll. Völlig offen bleibt auch, wer eigentlich zu welchen Bedingungen in den befreiten Gebieten die Kontrolle übernimmt und ob die Menschen dann russische Bomben und Fassbombenangriffe durch Assad fürchten müssen.

Auch welche konkreten Einsatzregeln für die Bundeswehr gelten, oder wer die Leitung des Einsatzes haben soll, konnte die Bundesregierung dem Parlament gegenüber nicht schlüssig darlegen. Vor dem Hintergrund, dass die militärische Führung in Deutschland von einem Einsatz ausgeht, der mindestens 10 Jahre andauern wird, ist es unfassbar, dass die Bundesregierung weder definieren kann, wer Gegner und wer Verbündeter ist, noch was das genaue Einsatzgebiet oder das konkrete Ziel des Einsatzes ist. Insgesamt ist es schlicht nicht hinnehmbar, dass ein solcher Einsatz, an dem sich 1200 deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligen sollen, in einem solchen parlamentarischen Hauruck-Verfahren beschlossen wird und für eine solch weitreichende Entscheidung zu entscheidende Fragen offen bleiben.

Während nun wieder in kurzer Zeit ein Militäreinsatz beschlossen wird, passiert leider immer noch viel zu wenig bei der Bekämpfung der politischen und wirtschaftlichen Ursachen des Terrorismus sowie bei der Unterstützung der politischen Prozesse und der Versöhnung in der Region. Eine Gesamtstrategie für die Befriedung der Region fehlt auch weiterhin. Die Bundesregierung ist an einigen Stellen zudem auch weiterhin gefährlich inkonsequent und unglaubwürdig, etwa bei den Rüstungsexporten an Saudi-Arabien und Katar. Diese Staaten tolerieren, dass einflussreiche Personen den Terror von IS von ihrem Hoheitsgebiet aus unterstützen und finanzieren. Auch das große Schweigen der Bundesregierung gegenüber der Türkei ist verantwortungslos angesichts ihrer hochproblematischen Rolle in der Region.

Vor diesem Hintergrund innerhalb weniger Tage einen Einsatz zu beschließen, der völkerrechtlich fragwürdig ist und bei dem die offenen Fragen überwiegen, halten wir für verantwortungslos. Insgesamt müssen wir unbedingt vermeiden, die gleichen Fehler, die im Irak, in Afghanistan und anderswo in den vergangenen Jahren gemacht wurden, nun zu wiederholen.

Für uns ist klar: Wir stehen in tiefer Solidarität mit unseren französischen Freundinnen und Freunden. Solidarität unter Freunden heißt aber gerade nicht Gewissensberuhigung durch unüberlegte Militäreinsätze, sondern ein gemeinsames besonnenes rechtsstaatliches Handeln. Hierzu gehört im Übrigen auch, die lückenlose Aufklärung der schrecklichen Attentate von Paris, um die richtigen Schlüsse für die Innen- und Sicherheitspolitik ziehen zu können.