Tagung: Geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland

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Weltweit befinden sich derzeit mehr Menschen denn je auf der Flucht vor Krieg und Elend. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge die in Deutschland ankommen, sind Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen werden bleiben und hier aufwachsen.

Wir erleben in den letzten Monaten unglaubliches Engagement in der Bevölkerung. Schaffen wir aus dieser Willkommenskultur auch eine Willkommensinfrastruktur, stellen wir damit entscheidende Weichen für die Zukunft der jungen Flüchtlinge und für das gemeinsame Zusammenleben in Deutschland.

Mit diesen Fragen hat sich die Tagung der Bundestagsfraktion auseinandergesetzt.

Die Frage nach Kinderrechten im Asylverfahren, zeigt die Defizite. Flüchtlingskinder sind besonders schutzbedürftig – unabhängig davon, ob sie unbegleitet oder mit ihren Eltern nach Deutschland kommen. Dies ergibt sich einerseits aus der Flucht selbst. Die Kinder haben ihre Heimat und alles Vertraute verloren. Je nach Familienkonstellation müssen sie zusätzlich vielfach Rollen übernehmen, die sie sowohl physisch als auch psychisch überfordern. Das Leben von Flüchtlingskindern in Deutschland ist bestimmt von den Regelungen des Aufenthalts- und Asylverfahrenrechts. Aus kinderrechtlicher Perspektive stehen die dort vorherrschenden Restriktionen und Vorgaben in Widerspruch zur Wahrnehmung und Berücksichtigung der Bedürfnisse und der Interessen der Kinder. Die soziale Benachteiligung von Flüchtlingen in Deutschland wirkt sich besonders stark auf die Kinder aus: Die Unterbringung in isolierenden Gemeinschaftsunterkünften, der eingeschränkte Zugang zu Freizeitmöglichkeiten, die Angst vor Rückführungen, die Nachteile bei der Schulwahl und der eingeschränkte Zugang zur Krankenversorgung belasten die Entwicklung dieser Kinder stark und prägen ihren Alltag. Diese Zurücksetzung zieht sich aufgrund der fehlenden grundlegenden Beachtung des Kindeswohls durch alle Lebensbereiche der Kinder. Flüchtlingskinder erfahren im Asylverfahren nur geringe Aufmerksamkeit: Entweder werden sie von Seiten der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, nicht angehört oder ihre Eltern beteiligen sie nicht am Verfahren. Kinder und Jugendliche werden im Asylverfahren zusammen mit ihren Eltern erfasst und behandelt. Im Asylverfahren werden die Eltern angehört, die Kinder hingegen nur in Ausnahmefällen zum Fluchtgrund befragt. Laut Dienstanweisung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist eine Anhörung von Minderjährigen zwischen dem 6. und 13. Lebensjahr möglich, danach obligatorisch. Die Eltern können allerdings auf die Anhörung ihrer Kinder verzichten und tun dies in der Regel auch, indem sie pauschal auf ihre eigenen Fluchtgründe verweisen. Dabei dürfte ihnen allerdings in der Regel nicht bewusst sein, dass kinderspezifische Gründe für das Asylverfahren eine Rolle spielen. Im Vergleich zu anderen Verfahren mit Beteiligung von Kindern (z.B. das familiengerichtliche Verfahren) gibt es im Asylverfahren keine klaren Richtlinien, wie Kinder anzuhören sind. Separate Schulungen zur Anhörung gibt es für die Sonderbeauftragten für unbegleitete Minderjährige, traumatisierte Asylbewerber oder geschlechtsspezifisch Verfolgte. Es gibt aber keine Schulungen zur speziellen Anhörung von Kindern. Das Kindeswohl muss als zentrales Moment in allen ausländerrechtlichen Verfahrensschritten berücksichtigt werden, besonders in Fällen, in denen eine Abschiebung angedroht bzw. vollstreckt werden soll. Insbesondere in den Durchführungsverordnungen und den für die Ausländerbehörden verbindlichen Verwaltungsvorschriften zu den einschlägigen Gesetzen müssen klare Regelungen zur Beachtung und Umsetzung des Kindeswohls festgelegt werden. Es müssen Verfahren geschaffen werden, um Flüchtlingskinder altersgerecht zu hören und zu beteiligen. Die Anhörung von Kindern und Jugendlichen im Asylverfahren muss kindergerecht gestaltet werden. Wenn Kleinkinder bei Anhörungen anwesend sind, sollte eine entsprechende Kinderbetreuung vorhanden sein – einerseits, um den Kindern die Schilderung der Verfolgungsgeschichte der Eltern zu ersparen bzw. den Eltern das Schamgefühl zu nehmen, vor dem Kind ihre eigene, oft demütigende Verfolgungsgeschichte zu berichten; andererseits um dem Anhörer zu ermöglichen, eine ruhige Anhörung durchzuführen. Zudem kann so eine extreme Stresssituation für alle Beteiligten vermieden werden.