Zur humanitären Lage im Gazastreifen erklärt Luise Amtsberg, amtierende außenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen

Während Außenminister Wadephul für eine schnelle und an Bedarfen orientierte humanitäre Versorgung im Gazastreifen wirbt, verbreitet das Kanzleramt die Behauptung, 50-100% der Hilfslieferungen, die den Gazastreifen erreichen, würden von der Hamas oder kriminellen Organisationen entwendet oder zurückgehalten werden. Außenpolitik aus einem Guss, wie es Kanzler Merz immer wieder betont, sieht anders aus. Angesichts der Schwere dieser Behauptung fordere ich die Bundesregierung auf, Belege für diese Zahlen beizubringen.

Debatten wie diese dürfen nicht von den tatsächlichen Realitäten vor Ort ablenken. Nach wie vor ist es eine politische Entscheidung der israelischen Regierung, Hilfe nur in geringem Umfang und abseits der tatsächlichen Bedarfe zuzulassen. Dass dies vor Ort zu chaotischen Zuständen und einem Verteilungskampf unter hungernden Menschen führt, kann und darf niemanden mehr überraschen. Es ist die bittere Realität der weiter andauernden humanitären Blockade.

Während des kurzzeitigen Waffenstillstandes im Januar haben die Vereinten Nationen und die internationalen Organisationen gezeigt, dass eine geordnete Verteilung von Hilfsgütern funktioniert und alle erreicht. Sie haben die Mittel, das Know-How und die Kapazitäten unparteiisch und entlang tatsächlicher Bedarfe zu helfen und die Hungersnot im Gazastreifen abzuwenden. Darüber hinaus zeigt nicht zuletzt die völkerrechtswidrige Ankündigungen Benjamin Netanjahus, den Gazastreifen vollständig zu besetzen und dieses durch die humanitäre Blockade zu forcieren, wie wichtig die Rolle unabhängiger humanitärer Akteure vor Ort ist.

Ein von der israelischen Regierung angekündigter neuer Mechanismus, Hilfslieferungen durch den Privatsektor einzuführen, darf nicht zu weiteren Verzögerungen oder Beschränkungen führen. Der Privatsektor wird nicht die Arbeit der VN ersetzen können. Ich fordere die israelische Regierung auf, vollständig mit den Vereinten Nationen zu kooperieren, die humanitären Zugänge zu öffnen und die Beschränkungen fallen zu lassen.