Am 20.01.2023 berät der Bundestag den 15. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung.
Den Bericht könnt ihr hier nachlesen.
Luises Rede könnt ihr im Video nachsehen:
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,
ich möchte mit einem Dank an das Parlament beginnen. Die Vielzahl an menschenrechtspolitischen Debatten hier im Haus und das stetige Ringen um Antworten auf komplexe Krisen, das zeichnet unser Parlament aus.
Und ja, manchmal sind diese Debatten kontrovers, manchmal auch etwas unbequem für die Bundesregierung, das ist notwendig, manchmal finden sie aber auch große Einigkeit unter den demokratischen Fraktionen.
Als Menschenrechtsbeauftragte möchte ich Ihnen und Euch daher danken, dass die IS Verbrechen gegen die êsîdische Gemeinschaft gestern durch das Parlament als das anerkannt wurden, was sie sind:
ein Völkermord.
Es ist ein starkes Zeichen gegen das Vergessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut man auf die Menschenrechtslage weltweit muss man für die internationale Staatengemeinschaft eine traurige Bilanz ziehen.
Die unermessliche Brutalität des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und damit verbunden die Verschärfung der Ernährungskrise im globalen Süden, der skrupellose Umgang des iranischen Regimes mit Protestierenden, die erneute frauenverachtende Herrschaft der Taliban in Afghanistan. Der bewusste Versuch Chinas, die internationale Gemeinschaft zu spalten und zu destabilisieren.
Das sind die offensichtlichen Krisen und Herausforderungen.
Und dabei schwelen weiterhin so viele menschenrechtliche und humanitäre Krisen außerhalb der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Hungersnot und Straflosigkeit in Südsudan, die systematische Unterdrückung von Oppositionellen in Kuba, Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter der Militärjunta in Myanmar, die Klimakrise, die lebensbedrohliche gesundheitliche Versorgungslücke in Sambia.
Nicht nur, dass es uns nur selten gelingt, Krisen und Konflikten vorzubeugen, womit die Zahl der Konflikte und Krisen stetig wächst, es gelingt uns auch immer weniger diese nachhaltig zu lösen. Hinzu kommt die immer größer werdende Lücke zwischen verfügbaren Mitteln und den realen humanitären Bedarfen. Diese Erkenntnisse müssen dazu führen, dass wir uns den großen Fragen dieser Zeit zuwenden. Dass wir bspw. das humanitäre System effizienter machen, mehr in die vorausschauende humanitäre Hilfe investieren, Mittel flexibilisieren und dort wo es Sinn macht, auch die starren Grenzen zwischen dem humanitären System und der Entwicklungszusammenarbeit überwinden.
Ich sage das bewusst hier an dieser Stelle an Sie gerichtet als Parlament und auch mit Dank verbunden:
Es braucht uns, es braucht Deutschland als weiterhin zweitgrößten humanitären Geber und starken Akteur in der Resilienzförderung um Leid abzumildern. Viele dieser Bemühungen finden Sie in diesem Menschenrechtsbericht. Ihnen als Haushaltsgesetzgeber kommt dabei eine zentrale Rolle zu und ich danke dem Parlament, dass es gelungen ist, trotz angespannter Haushaltslage, diesen Anspruch zu halten. Ich hoffe, dass uns das in der nächsten Runde wieder gelingt!
Die gegenwärtige Lage fordert uns auf, die großen Fragen zu stellen und ich bin sehr froh, dass Außenministerin Baerbock mit der nationalen Sicherheitsstrategie, der feministischen Außenpolitik, der Klimaaußenpolitik oder der Neuausrichtung der Chinapolitik diese Fragen nicht scheut, sondern neu denkt. Und besonders, dass sie – besonders mit Blick auf die Ukraine – wahrnehmbar auf internationaler Ebene für die Einhaltung und Stärkung des internationalen Rechts einsteht und vor allem auch die bestehenden Lücken, wie die Erweiterung des Rom Statuts auf den Tatbestand des Angriffskrieges, dass sie das adressiert und für Verbesserungen wirbt.
Oder das internationale System bemüht – auch wenn es harte Widerstände gibt, nicht nachlässt und um Mehrheiten kämpft, wie beispielsweise bei der Iran-Resolution im Menschenrechtsrat. Das alles braucht es jetzt! Deutschland muss innerhalb der weltweiten Staatengemeinschaft eine starke Rolle einnehmen und mehr Verantwortung für den Schutz von Menschenrechten übernehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergangene Woche war ich einige Tage in Kyiv und mit der Außenministerin in Kharkiv. Die Zerstörung im Stadtteil Saltivka führt uns schonungslos vor Augen wie wichtig die Stärkung des internationalen Systems und die Vorstöße unserer Außenministerin jetzt sind.
Inmitten der Ruinen von Häusern, die bis vor kurzem zu Hause von mindestens 300.000 Menschen waren. Wir waren in diesem Stadtteil, wir haben gesehen, dass es dort keine militärischen Ziele gibt.
Was wir aber gesehen haben, waren die Überreste von Spielplätzen, ein halb weggebombtes Haus, das den Flur einer Wohnung frei gelegt hat. In ihm eine Garderobe, an der noch Jacken hingen.
Dieser Ausschnitt steht exemplarisch für den Fakt, dass diese Menschen, die Menschen in Saltivka, Opfer eines Kriegsverbrechens geworden sind. Denn nichts anderes ist es, wenn man gezielt Zivilisten beschießt, die Energieinfrastruktur zerstört, damit die Menschen bei minus 12 Grad keine Heizungen haben und sie verdursten müssen, weil die Rohre einfrieren.
Russland muss für diese massiven Verbrechen am ukrainischen Volk zur Verantwortung gezogen werden! Und auch dafür ist die Stärkung des internationalen Rechts so wichtig!
Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch eine Stärkung des internationalen Systems, besonders in der Menschenrechtsfrage, wenn wir selbstkritisch sind.
Wenn wir Kritik der internationalen Staatengemeinschaft an den bestehenden Verhältnissen hier in Deutschland ernst nehmen.
Und auch das finden Sie in diesem Menschenrechtsbericht, der sehr stark die Umsetzungsschritte des Staatenüberprüfungsverfahren der UN, das in diesem Jahr zu einem Abschluss kommt, in den Blick nimmt. Ich bin froh, dass wir einen Großteil der Forderung bereits umgesetzt haben. Das ist auch notwendig.
Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen und uns aus der Verantwortung nehmen! Eine solche Politik würde immer dazu führen, dass das internationale System und unsere dortige Rolle zu Recht kritisiert und hinterfragt würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in Zeiten der Erosion des internationalen Systems müssen wir als Demokrat*innen Seite an Seite mit der Zivilgesellschaft stehen und für die universellen Werte und die regelbasierte Ordnung kämpfen. Wir sehen im Iran, was passiert, wenn Menschenrechte nicht geachtet werden:
Menschen lehnen sich auf, sie gehen auf die Straße, obwohl sie wissen, dass ihnen Gefängnis, Gewalt und sogar unmittelbar der Tod droht.
Sie tun es dennoch, weil Menschenrechte universell und unteilbar sind.
Weil ohne sie kein würdiges Leben möglich ist. Dies sollten wir uns immer und jederzeit klarmachen und auch politisch danach handeln. Es sind diese mutigen Menschen, die uns jeden Tag zu Zeug*innen werden lassen, welche Kraft Hoffnung hat und dass Aufgeben keine Option ist. Menschen wie Ihnen gehört die Zukunft!
Vielen Dank!
