Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Außenpolitik aus einem Guss“ – das war die große Ankündigung von Bundeskanzler Merz: Außenpolitik zur Chefsache machen und die Differenzen zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt auflösen. Herr Merz, der Außenkanzler, der Europakanzler, und Deutschland ein starker und zuverlässiger Partner in der Welt.
Ja, angesichts der Weltlage ist das natürlich eine richtig gute Idee. Aber wie das in allen politischen Fragen so ist: Diese Worte beweisen sich nicht in Absichtserklärungen, sondern vor allen Dingen im konkreten Handeln. Und da gehen wir jetzt mal rein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir erleben eine Verdichtung von globalen Krisen, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Russland führt seinen brutalen Angriffskrieg in der Ukraine unvermindert fort, provoziert auf NATO-Gebiet und bedroht auch uns in Deutschland täglich durch hybride Angriffe. Statt entschlossen und konsequent auf Russlands imperialistische Politik zu reagieren, hören wir nur Bedenken und wenig Lösungen. Dabei gäbe es Maßnahmen, die auch unabhängig von der erratischen Außenpolitik der Amerikaner wirken könnten: ein konsequentes Vorgehen gegen die Schattenflotte in der Ostsee, die Aussetzung von Schengenvisa für russische Staatsbürger/-innen oder auch das Aufzeigen von Wegen, wie wir das eingefrorene russische Staatsvermögen endlich nutzbar machen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir schauen in den Nahen Osten, eine Region, Herr Außenminister, die Sie zu Ihrem Schwerpunkt machen wollten. Aber gerade jetzt, wo über die Zukunft Syriens entschieden wird, habe ich Sie, Herr Außenminister, mehr zu Abschiebungen nach Syrien ausführen gehört als zu der Frage, wie man die Übergangsregierung dazu drängen kann, Syrien in eine stabile Demokratie zu führen, wo Minderheiten geschützt sind und wo Aufarbeitung der ganz klare Fahrplan ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben bisher keine einzige Maßnahme von Ihnen gehört, die tatsächlich Druck auf die israelische Regierung ausüben könnte, damit sie endlich die humanitäre Blockade in Gaza und damit das Sterben von Unschuldigen beendet. Unvermindert geht der Siedlungsbau weiter, schafft Fakten, zerstört Leben und die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung. Und Sie können sich noch nicht einmal zu Sanktionen gegen rechtsradikale Minister/-innen oder Unternehmen, die den Siedlungsbau unterstützen, durchringen. Wir erwarten da mehr.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken – Dr. Inge Gräßle (CDU/CSU): Das ist halt der Unterschied zu Freunden!)
Aber nicht nur da, also nicht nur in den hochkomplexen Krisen, sondern auch da, wo wir wirklich Gestaltungsspielraum haben, ziehen Sie sich zurück. Zusätzlich zu der ohnehin schwierigen Lage verschärft die Klimakrise Konflikte, zerstört Ernährungssicherheit und treibt immer mehr Menschen in die Flucht, während Sie die Klimaaußenpolitik depriorisieren. Ich möchte dazu einmal ganz deutlich sagen: Klimaaußenpolitik war und ist kein Brand der Grünen oder ein Nice-to-have. Klimaaußenpolitik ist Sicherheitspolitik und sollte als solche auch tragende Säule unserer Diplomatie sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Neben all diesen Fehlläufen schauen wir auf die Kürzungen im Haushalt. Und weil Sie sich vergangene Woche so darüber geärgert haben, dass wir das so deutlich kritisieren, möchte ich einmal sagen: Wissen Sie, was der Unterschied zwischen den Haushaltsverhandlungen unter der alten Bundesregierung und denen unter der jetzigen ist? Der Unterschied ist, dass Sie eine Opposition haben, nämlich uns, die Ihnen nicht aus ideologischen Gründen weitere finanzielle Spielräume verwehrt hat. Wir waren konstruktiv; aber Sie waren nicht bereit, die Schuldenbremse zu lösen. Sie haben jetzt die Spielräume, aber Sie nutzen sie nicht. Das ist natürlich in aller Schärfe zu kritisieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gerold Otten (AfD))
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in diesen Zeiten, wo Autokraten erstarken und das internationale System unter Druck setzen, muss man auch ganz deutlich sagen: Wenn man Außenpolitik zur Chefsache erklärt und auf den derzeitigen Zustand der Vereinten Nationen guckt, dann hätte man erwarten dürfen, dass Bundeskanzler Friedrich Merz nach New York reist, dort um die Kandidatur im Sicherheitsrat kämpft, Präsenz zeigt, wie es viele, viele andere Staats- und Regierungschefs getan haben, und damit auch den Respekt und die Wichtigkeit der Vereinten Nationen betont.
(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle (CDU/CSU))
Wir sind wirklich doll irritiert darüber, dass das nicht geschehen ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gerade jetzt ist die Präsenz der Demokratien, ist die aktive Diplomatie wichtiger denn je, und ich hoffe, dass Sie da in Zukunft nachbessern.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
