Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau
von Luise Amtsberg MdB, Mitglied des Kulturausschusses, Dr. Janosch Dahmen MdB, Sprecher für Gesundheitspolitik und Erhard Grundl MdB, Sprecher für Kultur- und Medienpolitik:
Der Sommer ist da und verspricht ein Stück alte Normalität: Konzerte, Freiluftopern, Festivals und Clubbesuche – Momente der Unbeschwertheit. Der saisonale Effekt ermöglicht uns derzeit eine vermeintliche Pause, obwohl wir mit solch hohen Infektionszahlen längst mitten in einer Sommerwelle sind. Umso wichtiger ist es, dass wir, anders als in den vergangenen beiden Pandemiejahren, die Zeit vor der nächsten Herbstwelle nutzen, um mit verlässlichen Konzepten auf alle möglichen Szenarien der Pandemieentwicklung vorbereitet zu sein. Clubs und Livebühnen, Kinos, Theater und Museen, soziokulturelle Zentren, Konzert- und Opernhäuser oder tourende Künstler*innen wie Bands oder Ensembles: Sie alle brauchen jetzt endlich Planungssicherheit in diesen (pandemisch) unsicheren Zeiten. Und es steht viel auf dem Spiel: Tourpläne, Personalmanagement und eine verlässliche Finanzplanung – das Überleben tausender Kultureinrichtungen und Kulturschaffender in unserem Land. Das ist unsere Verantwortung als Politik,und das sind wir den Kulturschaffenden schuldig, denn: Kultur ist kein Luxus nur für gute Zeiten. Sie gehört zum Wesen unserer freiheitlichen Gesellschaft.
Kaum eine Branche wurde so hart von den direkten und indirekten Folgen der Corona-Pandemie getroffen wie die Kulturbranche. Viele Existenzen wurden zerstört, der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Auch wenn aktuell vieles wieder „normal“ scheint – Museen sind geöffnet, die Fête de la Musique hat endlich wieder live stattgefunden und auch die Fusion besuchen seit Mittwoch wieder über 70.000 Besucher*innen – der Schein trügt. Die Folgen notwendiger Corona-Auflagen sind für Kulturschaffende immer noch spürbar. Viele Akteur*innen haben sich während der Schließungen beruflich umorientiert, es mangelt an Fachpersonal zur Durchführung von Veranstaltungen und einige Spielstätten haben schlicht Pleite aufgegeben. Zusätzlich führt die Pandemie auch weiterhin zu hohen krankheitsbedingten Personalausfällen. So musste bspw. das Puls Open-Air in Bayern aufgrund des Ausfalls von Securitymitarbeiter*innen während des laufenden Betriebes abgesagt werden. Die Nachfrage nach Events kann längst nicht ausreichend bedient werden – es fehlt schlicht und einfach an (wo)men power.
Unser Ziel ist klar: Clubs und Kulturorte müssen weiter bundesweit geöffnet bleiben! Aus unserer Sicht ist der Weiterbetrieb von Konzerthallen, Livemusikspielstätten und anderen kulturellen Einrichtungen unter gewissen Voraussetzungen möglich und wichtig. KommendeInfektionsschutzmaßnahmen müssen künftig dabei so gestaltet sein, dass Tourplaner*innen, Konzerthallen und alle anderen Akteur*innen des kulturellen Zusammenkommens wirtschaftlich rentabel arbeiten können, um nicht auf finanzielle Hilfen angewiesen zu sein. Dafür braucht es aber eine klare Strategie für den Herbst: Wir brauchen eine effektive Teststrategie, Stufenpläne und Hygienekonzepte, die den Notwendigkeiten von Veranstaltungen jeweils gerecht werden. Wenn die Infektionslage keinerlei Spielraum für andere Lösungen lässt und Schließungen unumgänglich werden, müssen Akteur*innen der Kultur- und Veranstaltungsbranche mit am Tisch sitzen, wenn es um die Ausformulierung von konkreten finanziellen Hilfen geht. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Hilfen passgenau da ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Uns ist bewusst: einen weiteren personellen Schwund darf es nicht geben.
Es braucht eine Kampagne und passgenaue Instrumente für die Kultur-, Kreativ- und Veranstaltungswirtschaft, um den Mangel an Fachkräften und Personal entgegenzutreten. Zu lange wurden Kulturschaffende in ihren ganz unterschiedlichen Erwerbskontexten zu wenig von der Politik verstanden und in Krisenzeiten nicht adäquat unterstützt. Wir wollen das Vertrauen zurückgewinnen und den Beschäftigten der Branche zeigen, dass wir sie mit ihren ganz verschiedenen Lebens- und Arbeitsrealitäten im Blick haben.
Demokratie lebt von Kunst und Kultur. Deswegen wollen wir die Grundlagen dafür schaffen, dassKultur in ihrer Vielfalt und ihrem Reichtum auch in und nach der Pandemie erhalten bleibt. Gesundheitsschutz und Kulturförderung können und müssen Hand in Hand gehen. Planungssicherheit zu schaffen für beides ist das Gebot der Stunde.
Die Autor*innen: Luise Amtsberg MdB ist Berichterstatterin der grünen Bundestagsfraktion für Pop-, Club- und Livekultur sowie Mitglied im Ausschuss Kultur- und Medien des Deutschen Bundestages. Dr. Janosch Dahmen MdB ist Sprecher für Gesundheitspolitik der grünenBundestagsfraktion und Experte für die Corona-Pandemie. Erhard Grundl MdB leitet die AG Kultur & Medien und ist Sprecher für Kultur- und Medienpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.