Luises Rede zur Lage im Nahen und Mittleren Osten

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Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig klar: Ein atomar aufgerüsteter Iran muss verhindert werden; denn er ist eine Bedrohung für Israel, für die Region und für die Welt. Gleichzeitig wissen wir auch – heute, zwei Wochen nach der Eskalation -, dass es ohne Diplomatie, ohne Verhandlungen und ohne massiven politischen Druck nicht gehen wird.

Die Gefahr ist groß, dass die Region in einen sich ständig wiederholenden militärischen Schlagabtausch abrutscht – abseits des Völkerrechts! Auch deshalb ist Israel rechtlich verpflichtet, die unmittelbare Bedrohung zu belegen. Weil dies keine Frage des Vertrauens ist, erwarten wir natürlich auch von der Bundesregierung, dass sie diese Belege proaktiv und mit Nachdruck einfordert, aber auch das Parlament darüber informiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss schon sagen: Bei all diesen Debatten ist es mehr als nur befremdlich, wenn ein Bundeskanzler in dieser Gemengelage, statt auf die Risiken, die Folgen und das Leid der Zivilbevölkerung hinzuweisen, Dankesreden hält und auch noch davon spricht, dass hier „Drecksarbeit“ für uns verrichtet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unfassbar!)

Diese offenkundige Ignoranz gegenüber dem Leben und auch den Ängsten von Menschen ist inakzeptabel, und sie ist, auch wenn dem Ausmaß dieser Aussage nicht gerecht wird, peinlich für die deutsche Außenpolitik und für jeden Einzelnen von uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was dem Bundeskanzler offenbar nicht klar war, ist, dass Empathie in schwierigen Stunden helfen kann: der iranischen Diaspora in unserem Land, die um Angehörige bangt, und den Menschen vor Ort, Menschen, die über Tage in der Millionenmetropole Teheran festsaßen, die sich nicht evakuieren konnten und abgeschnitten von Informationen waren, weil das Regime das Internet blockiert hat.

Wieder tragen Zivilistinnen und Zivilisten auf allen Seiten das Leid. Das iranische Regime hat Raketen auf Wohnviertel in Israel abgeschossen, und auch die israelische Regierung hat zivile Einrichtungen angegriffen, nicht nur das berüchtigte Evin-Gefängnis, in dem Oppositionelle und politisch Inhaftierte gefangen sind, oder die Schahid-Beheschti-Universität in Teheran, sondern auch die Energieinfrastruktur. Wir wissen nicht zuletzt aus der Ukraine, dass die Zerstörung der Energieinfrastruktur nicht nur völkerrechtlich verboten ist, sondern auch verheerende Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung haben kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das iranische Regime brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgeht und massenhaft Menschen foltert, verschleppt, verschwinden lässt oder tötet, wissen wir. Mutig demonstrieren Iranerinnen und Iraner seit Jahren unter höchstem persönlichen Einsatz für einen demokratischen Iran, für ein Ende der Repression, für ein Ende der Gewalt. Und sie sind weiterhin auf unsere Unterstützung angewiesen. Es sind ihre Stimmen, die wir lautstellen müssen. Sie sind es, von denen wir uns doch alle wünschen, dass sie die Zukunft ihres Landes bestimmen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ihre Arbeit ist nicht leichter geworden; denn erwartbar nimmt die Paranoia des iranischen Regimes weiter zu: eine erneute Verhaftungswelle und ein Anstieg der Repressionen. Unter dem Vorwand der Spionage gab es zunächst eine und gestern noch einmal drei Hinrichtungen von Angehörigen der kurdischen Minderheit. Diese Entwicklungen dürfen wir in diesem gesamten Kontext nicht ignorieren. Sie gehören in jedes Statement der deutschen Außenpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil Deutschland eben auch eine große Verantwortung hier vor Ort trägt, möchte ich gerne auf zwei innenpolitische Punkte eingehen; denn die Lage vor Ort zeigt einmal mehr, wie wichtig ein Abschiebestopp nach Iran ist und wie schlecht es ist, wenn die neue Bundesregierung die humanitären Aufnahmeprogramme infrage stellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere an die Programme, mit denen wir – vor allem auf Betreiben der ehemaligen Außenministerin Baerbock – zu unserer Regierungszeit Hunderte von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten in Deutschland aufgenommen haben. Viele von ihnen helfen heute den Vereinten Nationen bei der Fact Finding Mission, die Verbrechen des Regimes aufzuklären, zu dokumentieren und gerichtsfest zu machen. Meine Damen und Herren der Bundesregierung, wenn Sie diese Menschen im Iran unterstützen wollen, dann müssen Sie dieses Engagement fortsetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vor knapp drei Wochen haben wir hier im Parlament dieses Hauses gemeinsam über die Lage in Gaza und in der Westbank debattiert. Während die Augen auf Israel und Iran gerichtet sind, schreitet im Schatten des Krieges im Westjordanland die Siedlungspolitik weiter voran. Masafer Yatta, südlich von Hebron, wird gerade endgültig zerstört und die Menschen vertrieben. Die humanitäre Blockade von Gütern und Organisationen in Gaza sowie das neue Verteilsystem führen weiter dazu, dass Menschen sterben, und zwar nicht allein wegen Hunger, sondern jetzt auch wegen Erschießungen an den Essensausgaben. Wir vermissen hier eine klare Positionierung der Bundesregierung gegen diesen Irrweg. Die Vereinten Nationen müssen wieder in die Verantwortung kommen und übernehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das müssen wir in aller Deutlichkeit sagen: So, wie es jetzt ist, verunmöglicht das natürlich eine Zweistaatenlösung. Deshalb, Herr Außenminister, erwarten wir von Ihnen, dass Sie persönlich an der von Frankreich und Saudi-Arabien geplanten Zweistaatenkonferenz teilnehmen. Herr Hardt macht ja richtigerweise immer wieder darauf aufmerksam: Es geht auch um die Freilassung der Geiseln und ein Ende des Beschusses von Israel. Das sind die Orte, an denen wir diesen Forderungen Nachdruck verleihen und zeigen können, dass wir daran glauben, dass Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser/-innen möglich sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)