Rede zur Verbesserung der Rechtsstellung von Asylsuchenden und geduldeten Ausländern

Der Bundestag hat in zweiter und dritter Beratung dem Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern  (Drucksache 18/3144 und 18/3160) zugestimmt. Die Rede von Luise Amtsberg zu diesem Gesetz kann hier im Video geschaut werden und ist im folgenden im Wortlaut dokumentiert:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie soll man den vorliegenden Gesetzentwurf bewerten? Darüber, dass das Gesetz eine Verbesserung für die Rechtsstellung von Flüchtlingen darstellt – das sagt ja schon der Name –, gibt es hier im Hause keine Uneinigkeit. Die Frage ist eher: Wie ist es dazu gekommen, und welcher Preis wurde dafür gezahlt? Das ist der Dissens, der hier besteht und über den wir bereits an anderer Stelle ausreichend diskutiert haben. Gucken wir uns also an, was konkret in dem vorliegenden Gesetzentwurf steht.

Erstens. Die sogenannte Residenzpflicht, also die räumliche Beschränkung von Asylbewerbern und Geduldeten, wird ab dem vierten Monat nach Aufenthaltsnahme für das gesamte Bundesgebiet abgeschafft. Die Menschen können sich also künftig im gesamten Bundesgebiet frei bewegen und damit auch Verwandte, Bekannte und Freunde in anderen Bundesländern besuchen. Das ist selbstverständlich eine große Erleichterung im Alltag der Flüchtlinge. Denn die Residenzpflicht verbietet bislang den Betroffenen das Reisen innerhalb Deutschlands unter Strafandrohung – eine gravierende, europaweit auch einmalige Schikane, gegen die wir gemeinsam, also die meisten der hier im Hause vertretenen Fraktionen, mit NGOs und den Betroffenen zu Recht seit Jahren bekämpft haben.
Das Recht auf Bewegungsfreiheit soll nach der Neuregelung jedoch – und das ist das Bedauerliche – nicht uneingeschränkt gelten. Es ist nämlich vorgesehen – liebe Ulla, du hast es angesprochen –, dass die Residenzpflicht bei Geduldeten im Einzelfall eben doch angewandt werden kann, etwa wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen. Wir alle wissen, wie lange so eine Duldung dauern kann. Wir wissen auch, dass es sehr große Unterschiede hinsichtlich der Bewertung durch die Ausländerbehörden in Deutschland gibt. Insofern kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass von der Residenzpflicht in der Bundesrepublik in unterschiedlichem Maße weiter Gebrauch gemacht wird. Das ist bedauerlich.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Aufhebung des Sachleistungsprinzips. Hier gibt es dasselbe Phänomen: Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht bislang einen Vorrang für Sachleistungen, zum Beispiel Kleidung und Lebensmittel, vor. In Zukunft wird es einen Vorrang für Geldleistungen geben. Das ist gut. Auch dafür haben wir lange gekämpft. Die Selbstbestimmung von Flüchtlingen im Alltag wird damit entscheidend gestärkt werden. Die Abschaffung des Vorrangs des Sachleistungsprinzips ist ein Fortschritt; denn damit wurde Menschen nach wie vor ihre eigene Mündigkeit entzogen: Dinge des täglichen Bedarfs durften sie nicht selber aussuchen, sondern mussten Fehlendes, so privat es auch sein mochte, erfragen. Dass das geändert wird, ist gut. Aber auch hier geht man den Weg nicht zu Ende: Nach wie vor soll es möglich sein, Sachleistungen den Geldleistungen vorzuziehen. Hier hätte ich mir eine klarere Positionierung gewünscht. Neben der Feststellung, dass ein Schritt nach vorne unternommen wird, geht es natürlich auch um eine politische Bewertung dieses Gesetzentwurfes. Ich finde, an diesem Gesetzentwurf sieht man an verschiedenen Stellen, wie schwer der Bundesregierung dieser lange überfällige Schritt zur Abschaffung von Schikanen nach wie vor fällt. Das sieht man beispielsweise daran, dass sich geduldete Ausländer, die ihren zugewiesenen Wohnort für mehr als drei Tage vorübergehend verlassen wollen, weiterhin vorher bei der Ausländerbehörde abmelden müssen. Das ist völlig unnötig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Von Bürokratieabbau keine Spur. Das ist ein Gesetzentwurf, der nach wie vor von Misstrauen geprägt ist. Ich verstehe das nicht. Ich finde, dafür gibt es überhaupt keinen Anlass. Die Länder, in denen die Grünen mitregieren, haben im Sinne der Liberalisierung, der Vereinfachung und des Bürokratieabbaus mit der Bundesregierung verhandelt. Dass diese Gespräche geführt wurden, war gut und richtig. Richtig war auch der Druck der Grünen beim Wegfall der Vorrangprüfung; denn wir wissen, dass diese immer einem realistischen Zugang zum Arbeitsmarkt im Wege stand. Ich glaube, ich spreche für annähernd die Mehrheit im Hause, wenn ich sage: Es ist gut, dass die Vorrangprüfung wegfällt,
(Rüdiger Veit [SPD]: Wohl wahr!) weil wir es so und nur so möglich machen können, dass Flüchtlinge tatsächlich den Schritt in den Arbeitsmarkt und somit in ein selbstbestimmtes Leben schaffen.

Zu mehr Zugeständnissen war die Bundesregierung traurigerweise nicht bereit. Dennoch ist dieser Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden ihm selbstverständlich zustimmen und hoffen, dass vielleicht auch ohne Schubser der Grünen weitere Schritte folgen; die sind nämlich notwendig. Ich freue mich, dass ich von der Kollegin von der Union gehört habe, dass auch die Union viel Sinnvolles und Gutes in diesen Änderungen sieht. Das lässt für künftige Debatten zum Thema Flüchtlinge hoffen und zeigt: Wenn man die ideologische Brille einmal abnimmt, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) muss man vielleicht zugestehen, dass auch das politische Gegenüber – wir haben diese Dinge ja immer gefordert; das wissen Sie – nicht ganz unrecht hat und nicht nur Schwachsinn erzählt. Vielleicht müssen wir Sie künftig nicht mehr so viel schubsen, vielleicht gehen Sie in Zukunft diese Sachen auch alleine an. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD])