Luises Rede zum Einzelplan Innen

Luises Rede zum Innen-Etat der Bundesregierung könnt Ihr hier nachschauen.

 

 

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet über die Debatte.

 

Luises Rede im Wortlaut:

 

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit drei Legislaturperioden verantwortet die Union nun die Innenpolitik im Bund.

– Das ist nicht super. – Für uns ist das kein Grund zur Freude; denn das Ergebnis ist alles andere als gut – vor allen Dingen für die Bürgerrechte in unserem Land.

– Ich wollte das noch mit Beispielen unterfüttern. – Massenüberwachung, Benachteiligung von Geflüchteten und Minderheiten, Versagen des Verfassungsschutzes und beständig neue Planspiele für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sind hier zu nennen. Wir Grüne habe das auch in dieser Legislaturperiode in zahlreichen Debatten herausgearbeitet. Die meisten Vorschläge der Großen Koalition sind wenig bis gar nicht dafür geeignet, tatsächlich mehr Sicherheit im Land herzustellen.

Das überrascht auch gar nicht so doll; denn wenn man sich Ihre Innenpolitik ansieht, wird schnell klar, was das Kalkül dahinter ist: Man möchte sich abgrenzen und nicht viel Spielraum nach rechts lassen. Das verstehe ich auch, aber ich bin eher eine Freundin davon, dem mit politischer Haltung zu entgegnen und nicht mehr Meinungen aus diesem Bereich hier im Parlament Gehör zu verschaffen. Deshalb glaube ich, dass dieses Kalkül, diese Rechnung, nicht aufgehen wird, sondern dass man damit eher Vorurteile bestärkt. Am Ende schafft man im Prinzip einen neuen Weg dafür, Sicherheitslücken in unserem Land entstehen zu lassen. Deshalb glaube ich, dass wir hier einen ganz anderen Kurs steuern müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine ohnehin fragwürdige Symbolpolitik in einen konkreten Abbau von Bürgerrechten und Grundrechten mündet, dann ist für uns Grüne die Grenze des Zumutbaren erreicht; denn den Preis für eine solche Politik zahlen wir alle mit dem Verlust mühsam erstrittener Bürgerrechte: die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, wir als Abgeordnete, aber auch unser politisches System. Das wollen und können wir hier so nicht stehen lassen.

Wir sind mit dieser Meinung auch nicht alleine. Auch Karlsruhe hat Ihnen das mehrfach ins Stammbuch schreiben müssen – zuletzt in Bezug auf das BKA-Gesetz. Der Abbau der Grund- und Bürgerrechte wird aber am deutlichsten, wenn man sich den Bundesnachrichtendienst anschaut. Schon seit über einem Jahrzehnt arbeitet er eigentlich fast schon spektakulär am Grundgesetz vorbei. Für die absolut gängige Massenüberwachung, die der BND betreibt, hat er von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, keinen Tadel bekommen, sondern sie wurde anschließend legitimiert und legalisiert. Belohnung statt Tadel: Ich glaube, damit haben Sie sehr deutlich die Chance verpasst, unsere Geheimdienste auf einer klaren und an den Bürgerrechten orientierten Grundlage arbeiten zu lassen.

Ähnlich bedrückend ist die Lage beim Verfassungsschutz. Auch hier haben Sie trotz kritischer Ausschussberichte über das Versagen der Behörde bei der NSU-Mordserie an vielen Stellen mit einem Ausbau der Geheimdienstbehörde geantwortet, obwohl uns noch immer täglich Hiobsbotschaften, wie verschwundene Akten und Telefone sowie Zeugen, die nicht erscheinen, erreichen. Das ist nicht nur im Interesse der Aufklärung und vor allen Dingen für die Opfer bedauerlich, sondern das ist auch eine ausgemachte Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament, und die sollte uns alle hier besorgen.

Vielleicht ganz grundlegend, weil das auch immer wieder debattiert wird: Wir finden es wirklich einen Jammer, dass wir so viele sachbezogene Debatten, die wir hier im Bundestag führen, nach Karlsruhe verlagern müssen, weil dieser Weg nach Karlsruhe von Ihnen anscheinend schon mit eingerechnet und nicht von Anfang an der Versuch unternommen wird, eine wirklich verfassungsfeste Rechtsgrundlage, ein verfassungsfestes Gesetz, zu schaffen, sodass dieser Schritt nicht notwendig ist. Das sollte aber eigentlich unser Anspruch hier im Parlament sein.

Wir reden hier über die Innenpolitik. Dabei muss man natürlich auch – es wundert mich, dass das außer von meinen Kollegen der Linken noch nicht angesprochen wurde – die weiterhin wirklich erschreckend hohe Zahl an Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte nennen. Das BKA zählt bis jetzt rund 850 Angriffe. Eine wirksame Strategie gegen die Angriffe durch Neonazis und andere extrem rechte Gruppen hat die Bundesregierung bisher nicht. Man muss es wirklich noch einmal ausdrücklich sagen: Wer will, dass sich die Menschen, die vor Krieg und Terror nach Deutschland fliehen, in unserem Land gut integrieren können, der darf nicht zulassen, dass sie auch hier einer erneuten Bedrohung ausgesetzt sind und erneut Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben haben müssen.

Im vergangenen Jahr sind viele Menschen zu uns gekommen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gesucht haben. Sie willkommen zu heißen und ihnen die Möglichkeit zu geben, hier eine Existenz aufzubauen, muss unser oberster Anspruch und unser Interesse sein. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung geht es auch darum, wieder Hoffnung und Mut zu machen. Mit einem Blick zurück auf das vergangene Jahr ist erst einmal denjenigen Anerkennung zu zollen, die sich mit großem Engagement für geflüchtete Menschen in unserem Land eingesetzt haben und die Erstversorgung da gewährleistet haben, wo der Staat dazu nicht in der Lage war. Das gilt im Übrigen auch für viele Geflüchtete selbst. Die Rahmenbedingungen für dieses Engagement sind anhaltend schwierig, wodurch die Integrationsbemühungen an vielen Stellen konterkariert werden. Das Beste, aber auch traurigste Beispiel ist die Beschränkung des Familiennachzugs. Wir glauben, dass ein Mensch erst dann richtig ankommen kann, wenn er eben nicht in ständiger Sorge um seine Familie sein muss. Aber auch hier haben Sie, wie wir finden, die völlig falschen Antworten.

Wenn es um Flüchtlinge geht, stolpert die Große Koalition zerstritten hin und her und verbaut ganz bewusst die Chancen vieler Menschen in diesem Land. Indem sie Flüchtlinge in zwei Klassen einteilt, die mit guter und die mit schlechter Bleibeperspektive, wird ein ganzer Teil von Menschen von Integrationsmaßnahmen von Tag eins an ausgeschlossen; denn eine schlechte Bleibeperspektive heißt für diese Bundesregierung, dass diejenigen, die aus einem Land kommen, in dem die Schutzquote unter 50 Prozent liegt, keinen Zugang zu Integrationsleistungen haben. Das bedeutet zum Beispiel für afghanische Flüchtlinge, dass die alleinige Zugehörigkeit zu einer Gruppe, losgelöst vom eigenen Fluchtschicksal, dazu führt, dass man keinen Sprachkurs machen kann, obwohl sie absehbar viele Jahre in Deutschland leben werden. So macht man keine Integrationspolitik. So verbaut man Chancen. Auch das wollen wir ausdrücklich ändern.

Der Bund hat die Mittel für die Integrationskurse zwar erhöht, aber sie reichen nach wie vor nicht aus. Das ist absehbar. Wir als Fraktion fordern daher eine Aufstockung auf insgesamt 750 Millionen Euro, weil es doch unser Anspruch sein muss, die Nachfrage zu decken. Das ist bisher nicht gelungen. Auch die Beratungsstellen, die exzellente Arbeit leisten, sind seit Jahren chronisch unterfinanziert. Hier muss man deutlich betonen, dass selbst die Bundesregierung davon ausgeht, dass es im nächsten Jahr eine Erhöhung des Beratungsbedarfs geben wird. Trotzdem verweigert sie sich der Forderung, die Beratungsstellen mit Haushaltsmitteln von 62 Millionen Euro – diese bräuchte es nämlich – zu flankieren. Es reicht nicht, finde ich, über Probleme der Integration zu philosophieren, wenn zum Beispiel die Finanzierung von Integrationskursen für Frauen, die aus anderen Kulturkreisen kommen und die von den konventionellen Integrationsangeboten gar nicht erreicht werden, in ihrem Haushalt überhaupt nicht mitgedacht wird. Genau da sind die Stellen, wo wir künftige Integration und Zusammenleben in Deutschland gestalten können. Da sind Sie völlig ideenlos. Dasselbe gilt auch für die Psychosozialen Zentren. Hier braucht es deutlich mehr als Lippenbekenntnisse. Vor allem braucht es die Finanzierung der bis jetzt schon bestehenden Angebote, sodass sie ausgebaut werden und die Menschen dort vernünftig arbeiten können.

Auch hier gilt: Natürlich könnten wir Ihrem Haushalt zustimmen. Sie könnten aber auch unseren Änderungsanträgen zustimmen. Dann würde uns die Zustimmung zu Ihrem Haushalt leichter fallen. Ich glaube, wir stellen hier keine absurden Forderungen, sondern mit Blick auf die Integration und die immensen Herausforderungen, die wir in den nächsten Jahren zu leisten haben, sind sie genau der richtige Weg. Also öffnen Sie sich in diese Richtung.

Herzlichen Dank.