Fachgespräch zur Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen

In einem Fachgespräch haben wir mit Expert*innen aus der Frauenszene, der Flüchtlingssolidarität und der Arbeitsmarktpolitik diskutiert wie die Integration von geflüchteten Frauen in den Arbeitsmarkt bestmöglich gelingen kann. Welche Erfahrungen liegen bereits vor, welche Instrumente sind darüber hinaus nötig und welche finanziellen Erfordernisse absehbar?

 

Vogelperspektive

 

Für das Ankommen und Fußfassen von zu uns geflüchteten Menschen wird es entscheidend sein, ob sie hier arbeiten dürfen und können. Ein Drittel der neu Ankommenden sind Frauen. Viele von ihnen sind Mütter, viele von kleinen Kindern. Die Frauen bringen sehr unterschiedliche Qualifikationen mit. Ob und wie sie den Weg in die Erwerbsarbeit in Deutschland finden, ob sie es selber wollen, wie ihre Partner oder Familien dazu stehen, ist unklar. Wichtig ist, dass frühere Fehler nicht wiederholt werden, als die Integration von Frauen zu wenig in den Blick genommen wurde. Frauen kommt bei der Integration für sich und die Familien eine zentrale Rolle zu. Eine neue Sprache zu lernen und sich in unsere Gesellschaft zu einzufinden, geht schneller und leichter, wenn die Frauen Kontakte außerhalb der Familie haben. Und: Eine eigene Erwerbsmöglichkeit ermöglicht, freier über das eigene Leben zu entscheiden.

Vor Kurzem hat die Bundesagentur für Arbeit Daten über arbeitssuchende Geflüchtete vorgelegt. Demnach sind rund 297.000 Geflüchtete als arbeitssuchend gemeldet, darunter ein Viertel Frauen. Da seit Beginn diesen Jahres in den Arbeitsagenturen und Jobcentern auch der Aufenthaltsstatus flächendeckend erfasst wird, liegen nun erstmals zwar genauere Daten vor, diese sind aber noch unvollständig, weil viele Jobsuchende noch keine Angaben zur eigenen Qualifikation gemacht haben. Bedauerlich ist aber vor allem, dass aber über die konkrete Situation geflüchteter Frauen und Mädchen in Deutschland nur sehr wenig bekannt ist.

 

Luise_Amtsberg

 

Um den Prozess ihrer Integration in die Gesellschaft aktiv und erfolgreich gestalten zu können, sind aber möglichst präzise Daten und Informationen über geflüchtete Frauen erforderlich. In ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, wird ersichtlich, dass die Bundesregierung kaum Kenntnis über die Lage von geflüchteten Frauen hat. Ihr liegen keine validen Daten zum Bildungsstand geflüchteter Frauen und Mädchen im Vergleich zu männlichen Altersgenossen aus ihren jeweiligen Herkunftsländern vor. Sie weiß auch nicht, wie viele Teilnehmerinnen der Integrationskurse einen Fluchthintergrund haben. Und auch über Arbeitsmarktqualifikation, familiäre Situation oder Zukunftsorientierung weiß sie nichts.

Für die Zukunft wird auf geschlechtsspezifische Auswertungen laufender Erhebungen verwiesen. Eine konkrete Studie ist aber nicht geplant, lediglich für die zweite Jahreshälfte ein Modellprogramm zur Arbeitsmarktintegration weiblicher Flüchtlinge.Wir finden, das reicht bei weitem nicht aus.

Eine Flucht, das sollte jedem klar sein, ist mit besonderen gesundheitlichen und zum Teil lebensbedrohlichen Risiken verbunden. Neben fluchttypischen Gefahren, wie Krieg, Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt, kommen bei Frauen geschlechtsspezifische Risiken und (sexuelle) Gewalterfahrungen hinzu. Flüchtlingsfrauen sind häufig gezwungen, sich mit ihren Kindern, auch ohne männliche Begleitung auf den Weg zu machen. Demzufolge sollten berufliche, soziale und gesundheitsfördernde Angebote miteinander verbunden werden, und bei der Ausgestaltung frauenspezifischer Maßnahmen zur beruflichen Integration sollten folgende Besonderheiten berücksichtigt werden:

  • Sprachliche und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können längerfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sie ganzheitlich die bisherigen Lebenserfahrungen einbeziehen und Chancen zu gesellschaftlicher Partizipation eröffnen.
  • Auch der Erhalt bzw. die Wiederherstellung der psychosozialen Gesundheit von Frauen mit traumatischen Erfahrungen und ihren Kindern darf nicht vergessen werden.
  • Um geflüchteten Frauen gleiche Chancen zur gesellschaftlichen Integration zu eröffnen wie Männern, müssen sie im gleichen Umfang unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Besonderheiten gefördert werden.

Eines der Kernprobleme der Flüchtlingsintegration – und dies trifft männliche wie weibliche Asylsuchende gleichermaßen – wird in dem neuen Integrationsgesetz der Bundesregierung weiterhin nicht aufgelöst, eher verstärkt: Derzeit haben nämlich nur Schutzsuchende mit „guter Bleibeperspektive“ Zugang zu Integrationsangeboten. Dies sind heute Asylsuchende aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea. Das heißt aber, dass zum Beispiel Asylsuchende aus Afghanistan oder Somalia – auch während eines gegebenenfalls jahrelangen Asylverfahrens – keinen Integrationskurs besuchen können. Diese Fehlentwicklung wird mit dem Gesetzentwurf nicht korrigiert.

 

KGE_2

 

Aus dem Fachgespräch wurden daher einige zentrale Forderungen herausgearbeitet:

  • in mehrsprachigen Formaten über Angebote aufklären
  • Beratung in den Erstaufnahmeeinrichtungen
  • mobile Bildungsberatung
  • Laufzeit von Sprachkursen zur Erreichung eines bestimmten Niveaus verlängern
  • Lotsenprogramme um Möglichkeiten am Arbeitsmarkt aufzuzeigen und zu begleiten
  • Lebenslagenorientiert arbeiten und Raum für die psychosoziale Versorgung geben
  • mit Unternehmen zur gezielten Integration von geflüchteten Frauen kooperieren
  • in den Arbeitsmarktprogrammen nicht nur „Männerberufe“ fördern

Zur Situation geflüchteter Frauen und Kinder haben wir zudem eine Kleine Anfrage eingereicht, die hier abgerufen werden kann.